Leuchtend bunte Blüten rauschen an uns vorbei, wenn wir unterwegs auf Straßen und Wegen in Schleswig-Holstein sind. Oft nehmen wir die Pflanzen am Wegesrand nicht wirklich wahr und wissen nicht, was wir da eigentlich gesehen haben.
Von Juni bis Oktober stellen wir jeden Monat eine Blütenpflanze vor, an der wir häufig vorbeifahren, deren spannende Eigenschaften wir aber nicht unbedingt kennen.
… im Juni:
Der Wiesenkerbel (Anthriscus sylvestris): Der mit den giftigen Doppelgängern (oder: Der leicht zu Verwechselnde)
Familie: Doldenblütler
Wiesenkerbel zum ersten Vorboten des Sommers.
Die jungen Wiesenkerbel-Blätter kann man für Frühlingssuppen, Salat, Kräuterbutter und sogar als Spinat verwenden. Ihr Geschmack erinnert leicht an Petersilie mit einem Hauch von Möhre und Kümmel, aber ohne den Anisgeschmack des Gartenkerbels. Wiesenkerbel enthält viel Vitamin C. Außerdem gehören u. a. Bitterstoffe, ätherisches Öl, Cumarin und Kalium zu den Inhaltsstoffen des Wiesenkerbels. Er wirkt verdauungsfördernd, schweißtreibend und blutreinigend, weshalb er auch für Frühjahrskuren genutzt wird.
Dennoch rät man Laien dringend davon ab, den Wiesenkerbel zu verwenden, da er leicht mit seinen giftigen Verwandten verwechselt werden kann. Äußerlich gleicht der Wiesenkerbel vor allem dem tödlich giftigen gefleckten Schierling. Außerdem steht er an Wegrändern oft direkt neben dem sehr ähnlichen, aber schwach giftigen Taumel-Kälberkropf. Deshalb sollte man in der Küche lieber auf den leicht zu kultivierenden, ebenfalls würzigen Gartenkerbel ausweichen.
Wiesenkerbel kann stattdessen eingesetzt werden, um Wolle zitronengelb zu färben.
Im kreativen Bereich gibt es eine weitere Verwendung für das Kraut: Wiesenkerbel kennt man in Schleswig-Holstein auch unter dem Namen „Kälberrohr“. Vor mehr als 150 Jahren hat Theodor Storm den Wiesenkerbel berühmt gemacht. In seinem Gedicht „Abseits“ heißt es: „Sein Junge auf dem Stein davor schnitzt Pfeifen sich aus Kälberrohr.“ Die kräftigen hohlen Stängel des Wiesenkerbels sind leichter zu verarbeiten als Holz- oder Weidenstöckchen. Für die Pfeifen ist wichtig, dass ein Stängelknoten dabei ist (s. Foto) und das obere Ende des Stängels schräg geschnitten wird. Ob sich den Wiesenkerbel-Pfeifen wirklich Töne entlocken lassen, kann in dieser Jahreszeit jeder und jede selbst ausprobieren.
Weiterführende Literatur
Essbare Wildpflanzen von S. Fleischhauer, J. Guthmann & R. Spiegelberger, ISBN 9783038008866
Heilpflanzen und ihre giftigen Doppelgänger von Dr. Ursula Stumpf, ISBN 9783440162132
Ute Hörcher - Spannbrück - 24409 Gulde